CONCURRENCES

Fotografien von Katrin Kalden

von 19. November bis 28. Januar 2010
Eröffnung: Donnerstag, 19. November um 19.00 Uhr


Der Titel der Ausstellung CONCURRENCES  bezieht sich auf die Bedeutung der Gleichzeitigkeit und des Zufalles: zwei Phänomene, die die ausgestellten Bilderserien von mir stark miteinander vereint. Als ausgebildete Fotografin, Künstlerin und Architektin überrascht es sicherlich kaum, dass die Aufnahmen sich häufig an der Schnittstelle zwischen Architektur und Fotografie befinden.

In der Bilderserie TIMES SQUARE geht es um prinzipielle Raum- und Zeitschichtungen, die in eine neue formale Einheit gebracht werden: simultane Aufnahmen, die in einer manchmal irritierenden Gleichzeitigkeit zu einer vibrierenden Verdichtung des urbanen Raumes führen. Diese Bildmontagen werden zum Sinnbild der pulsierenden Energie des Times Squares in New York City.   Das Konkrete wird nur wenig fassbar durch vereinzelte Fragmente des originalen Motivs. Auflösungen, Verdichtungen, Überlagerungen sowie wechselnde Schnittkanten, die sich energisch drehen und winden, befreien sich von dem eigentlich wirklich fassbaren Konkreten. Perspektiven der jeweiligen Fragmente überlagern sich willkürlich, so dass multiple Eindrücke entstehen. Dabei entwickelt sich eher zufällig eine eigene Logik der Bewegung durch den urbanen Raum, der die Ungreifbarkeit touristischer Zentren wie des Times Squares fast greifbar vermittelt. Durch Mehrfachbelichtungen ergeben sich die intensiven Eindrücke im Sinne einer Zeit zum Quadrat. Dabei wird Fotografie hier nicht nur als eine Technik gesehen, sondern als ein Medium geistiger Anschauung verwand, mittels dessen Bilder ‚produziert‘ werden. Es entstehen dabei inszenierte Wirklichkeiten die auf wieder andere imaginative Welten verweisen.

Bei den Aufnahmen New Yorker Bürofassaden, N.Y.F. betitelt, die gleichfalls mittels Mehrfachbelichtungen entstanden sind, ergeben sich Sinnbilder für das erdrückende, anonymisierte, schnelllebige New York. Die emotional geladenen Aufnahmen entsprechen Allegorien einer ungewissen Zukunft in den hoch technisierten Großstädten – Betonmaschinen, die in Ihrer Übergröße einerseits erdrückend, anderseits verschwommen, abstrakt, unmenschlich scheinen. Die urbane Ästhetik großer Städte dienen hier als unterschiedlichste Projektionsflächen: die dramatischen Bürofassaden von New York stehen einer fast schon unnatürlichen Stille der Großstadtfassaden in Berlin gegenüber.

Die Portraits Berliner Apartments, B.A. betitelt, offenbaren, fast gegensätzlich zu den gerade beschriebenen Serien, die Abwesenheit einer Autorenschaft, Ausdruckslosigkeit und Unbestimmtheit. Die vermittelte Leere hinter den ungeschminckten Fassaden ist ein visueller Verweis auf die scheinbar bedeutungslosen Spuren einer urbanen Ästhetik. Die mit einer Digitalkamera aufgenommenen Häuserfassaden in Berlin werden ohne Referenz auf Ort und Zeit allein durch den Ausschnitt der Fassade geprägt. Durch die Aneinanderreihung der Fassadenaufnahmen entsteht eine rhythmische Gruppierung, bei den vor allem formalen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Vorschein kommen. Die gleichmäßigen Raster der Häuserfronten aus Betonwaben werden aussagekräftige Zeugnisse ihrer Zeit: Dabei sind formale Kriterien wie inhaltliche Aussagen der Aufnahmen gleichermaßen wichtig. Ohne Zweifel ist jede Architektur und deren Fassadengestaltung immer auch Ausdruck und Medium einer Zeit und Kultur.

Bei den Aufnahmen der CHROMA Serie handelt es sich um das Congress Centrum Nürnberg, CCN. Hier dominieren Vorstellungsbilder, Fantasie und Einbildungskraft den fotografischen Ausdruck. Die mittels der digitalen Kamera aufgeweichte Schärfe mindert die referenzielle Verkettung der Bilder mit dem realen Motiv. Die harten Fakten des Wann und Wo lösen sich ebenfalls mit den harten Konturen auf. Das fotografische Objekt wurde zum Ausdruck eines subjektiven Stils. Es eröffnet sich so ein Feld der Assoziation im Bewusstsein des Betrachters. Das aktuelle Raum- und Zeitempfinden wird dabei überwunden, Kausalitäten werden aufgebrochen und offene Vorstellungsebenen des einzelnen Betrachters geöffnet. Das Stilmittel der Unschärfe wird hier bewusst eingesetzt um die Assoziationsebenen zu  öffnen.

Auch bei den Portraits von Passanten in der Münchner U-Bahn, MUNICH SUBWAY, verlangt die Fotografie hier in Ihrer Darstellungsform Empfindungen des Ungewohnten. Die Portraits von Menschen, in Form von anonymisierten, verschwommenen Gesichtern, die um 8:00 Uhr morgens in der Münchner U-Bahn mit einer High8 Videokamera aufgenommen wurden, changieren zwischen Fotografie und Film. Wie verloren wirken Passanten in dieser Bilderwelt, die an die Ästhetik von ‚Filmstills‘ erinnern – ohne jedoch einen einzigen linearen Erzählmodus zu betreiben. Abseits gewohnter Realitätsempfindung werden auch hier neue Erfahrungsräume der Assoziation geöffnet.

INTERFERENCE zeigt Bildstörungen – digitalen Verzerrungen und Interferenzen die zufällig am Computer entstanden. Dieser digitalen Bilderserie, die durch so genannte Screenshots festgehalten wurde, liegen Bruchstücke, Fragmente und Spuren anderer Dateien, die simultan ‚offen‘ waren, zugrunde. Diese Gleichzeitigkeit der Daten, die die   Ästhetik der Komprimierungsartefakte, Doppelbilder, Übertragungsfehler und Störungen wie Verpixelungen ausmachen, geben den jeweiligen digitalem Kunstwerk seinen eigenen Charakter. Auch hier gibt es in dem traditionellen Sinne keinen ‚Autor‘, es handelt sich um Zufallsprodukte die mittels des Mediums ‚produziert‘ wurden.

Die Bilderserie SURFACE befasst sich mit Aufnahmen von Außenwänden an Gebäuden in New York City die sowohl als Projektions- wie auch Kommunikationsflächen dienen. Werbeflächen werden durch Graffiti entstellt oder mehrfach überklebt und entfernt, so dass auch hier der Zufall in dem Zusammenkommen bzw. der Konvergenz verschiedener Kommunikationsmodi eine Rolle spielt. Die Spuren verschiedener kultureller Schriften überlagern und verdichten sich so, dass eigenartige ‚Landkarten urbaner kultureller Flächen‘ entstehen. 

Katrin Kalden, M.F.A., M.ARCH.

November 2009